Unsere Interview-Serie „Vegan reisen in …“ führt uns diesmal in die Türkei. Ein Land, das derzeit sicher polarisiert und als Heimat von Kebab & Co. vermutlich wenige als vegan-freundliches Reiseziel auf dem Schirm haben.
Doch die Türkei ist ein unglaublich weitläufiges und abwechslungsreiches Land, sowohl landschaftlich, kulturell als auch kulinarisch. Besonders an der Türkei sind seine Menschen. Diese aufrichtige Gastfreundschaft und Herzlichkeit gegenüber Fremden ist uns persönlich in noch keinem anderen Land in dieser Form begegnet.
Wir beginnen unsere Interview-Serie in Antalya. Hier wohnt Petra und nimmt uns mit auf Entdeckungsreise durch die vegane Türkei, die unbedingt eine Reise wert ist! Auch wir waren bereits dort und Petras Erfahrungen decken sich in vielen Teilen mit unseren eigenen.
Vegan reisen in der Türkei – Petras Tipps rund um Antalya
Petra erzähl uns bitte kurz etwas zu dir.
Petra: Hallo und Merhaba, mein Name ist Petra Canan und ich lebe seit 13 Jahren mit meinem Mann und unseren zwei Jungs in Antalya. Durch eine Milch-Eiweiss-Allergie bin ich in die vegane Szene gerutscht und schreibe seit 2013, zusammen mit meiner vegan lebenden Freundin Heidi Terpoorten, die veganen „Tierfrei’Schnauze“-Kochbücher und betreibe den dazugehörigen Foodblog. Man findet uns aber auch auf Instagram und Facebook, außerdem habe ich noch eine vegane türkische Seite auf Instagram.
Als wir damals in die Türkei gezogen sind, hat sich unser Essverhalten drastisch verändert. Hier gab es noch keine Fix-Päckchen und ich musste lernen, wie kochen ohne das alles geht. Der Kauf eines Thermomixes machte vieles einfacher. Unsere Geschmacksknospen haben sich dabei so verändert, dass mitgebrachte Fix-Päckchen aus Deutschland in den Müll wanderten.
Außerdem ist hier in der Türkei Fleisch sehr teuer, was ich sehr gut finde, deshalb hatten wir das Fleischessen seitdem auch sehr eingeschränkt.
Die mega geniale Auswahl an frischem Gemüse und Hülsenfrüchten machte auch dies einfach. Den Pfirsich riechen bevor man ihn sieht, das ist etwas was uns unsagbar glücklich macht. Ich freue mich sehr, bei Vegan Auf Reisen berichten zu dürfen.
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Petra, welche Empfehlungen hast du für vegan Reisende in Bezug auf die Türkei, speziell die Gegend um Antalya?
Petra: Was vegan betrifft ist Antalya echt noch etwas hintendran. In Istanbul ist das mittlerweile gar kein Problem mehr, dort gibt es auch vegane Supermärkte und einige Restaurants.
In Antalya wissen die Leute mit dem Wort vegan selten etwas anzufangen. Vegetarisch ist für jeden ein Begriff, aber vegan verstehen nur wenige. Wenn man es aber erklärt, speziell in Hotels und Restaurants, dann findet sich eigentlich immer eine Lösung.
Vegane Hotels sind auch noch eher selten. Wir hatten jetzt ein ganz neues in Olympos, die Vegan Lodge. Ich habe darüber auf unserem Blog berichtet, aber leider fehlte eine Genehmigung und es musste vorübergehend schließen. Die meisten Yoga-Hotels bieten allerdings auch vegane Optionen an.
Bitte erzähle unsein bisschen über die Gegend, in der du lebst. Was ist besonders sehenswert?
Petra: Antalya ist ein Paradies, hier gibt es alles. Meer, Berge, fruchtbares Land und Steppe. Wir haben sogar ein Skigebiet namens Saklıkent. Im Winter Ski fahren und eine halbe Stunde später im Meer baden, wo gibt’s das schon?
Um uns herum gibt es viele Wasserfälle. Einer, der untere Düden, stürzt direkt in Antalya/Lara ins Meer. Der obere Düden Wasserfall befindet sich am Stadtrand und ist ziemlich touristisch, aber dennoch wunderschön. Am allerbesten gefällt mir der Kurşunlu Wasserfall. Diesen findet man in einem Naturschutzgebiet im Wald unweit von Antalya. Hier kann man quasi den Elfen beim Tanzen zuschauen, das komplette Gebiet ist magisch. Die schönste Zeit um das Gebiet zu erkunden ist der Frühling, im Sommer hat es leider kaum Wasser.
Die wunderschöne Altstadt von Antalya mit dem angrenzenden Karaalioğlu Park und dem Yachthafen, wo verschiedene Bootstouren angeboten werden, ist ebenfalls immer ein Besuch wert, gerade am Abend, wenn alle Lokale geöffnet sind und hier kunterbuntes Treiben herrscht.
Tipp zum Wandern:
Antalya ist das Tor zum traumhaften Lykien, hier startet auch der lykische Wanderweg der sich bis Fethiye zieht. Außerdem grenzt der Paulusweg der ins Landesinnere über das Taurusgebirge zum Eğiridirsee führt. Ich liebe es auf diesen Wegen zu wandern.
Wer sich für antike Städte interessiert sollte nach Termessos fahren. Diese alte Stadt liegt wunderschön auf einem bewaldeten Berg und gibt atemberaubende Ausblicke frei. Unmittelbar daneben befindet sich die Güver-Schlucht und wer Canyontouren liebt sollte sich Beşkonak mit einem Rafting nicht entgehen lassen oder durchs eiskalte Wasser in den Göynük Canyon schwimmen (Neoprenanzüge vor Ort). Oh man, es gibt soviel, ich kann das unmöglich alles aufzählen.
Am großen Hafen geht eine Seilbahn auf einen Berg mit tollen Ausblicken. 70 km weiter allerdings wird’s noch besser. Diese Seilbahn führt auf den höchsten Berg, den ehemaligen Olymp, der jetzt Tahtalı heißt. Bei klarem Wetter ist es dort oben echt sehr genial…
Und wenn du schon mal da bist, fahr weiter nach Çıralı, besuche die brennenden Felsen Chimaera und mach einen Badestopp am wunderschönen Strand. Cıralı ist eine absolute Oase ohne Massentourismus und es werden traumhafte Bootstouren angeboten (Spaghetti mit Tomaten sind auf dem Boot in der Regel vegan).
In Belek gibt es noch das Land of Legends, ein spektakulärer Wasserpark. Hier sieht es ähnlich aus wie im Disneyland (war ursprünglich auch mal geplant). Im Gelände neben dem Wasserpark gibt es Shoppingmalls und andere Attraktionen wie Gondel fahren und verschiedene Veranstaltungen.
Veranstaltungen gibt es in Antalya übrigens ständig irgendwo. Viele Konzerte, Festivals, Oper etc. Tolle Shows bietet die Tanzgruppe Fire of Anatolia, die du dir in Aspendos anschauen kannst.
Hast du einen Restaurant-Tipp für uns? Gibt es in der Türkei typische Gerichte, die vegan sind?
Petra: „In Antalya empfehle ich gerne das kleine Bistro Rokka in der Stadt, nahe dem Hadrianstor. Hier gibt es ultraleckere Falafel und vegane Pizza. Im öffentlich zugänglichem Stadthotel Akra Barut befindet sich das Saf-Restaurant, raw und vegan. Vor allem die rohveganen Sushi und die Rohkosttorten sind der Knaller. In Lara haben wir dann noch das Ch’i fine food Atelier (vegan, zuckerfrei, glutenfrei) und in Konyaaltı das Vegan House.
Tipp:
Traditionelle türkische Gerichte sind sehr oft vegan. Alles was mit ‚Zeytinyağlı‚ deklariert ist, ist im Normalfall vegan (Zeytinyağlı Dolma, Zeytinyağlı Fasulye, Zeytinyağlı Sarma oder generell Zeytinyağlı Yemek…). Diese Gemüsegerichte sind ohne Fleisch und ohne Butter, hier wird nur Olivenöl (Zeytinyağı) verwendet.
Zur Auswahl gibt es verschiedene Eintöpfe mit Gemüse und Hülsenfrüchte und gefülltes Gemüse (Dolma). Am gängigsten ist hier allerdings Taze Fasulye, ein Gericht aus grünen Bohnen in Tomatensoße. Das gibt es eigentlich türkeiweit.
Ein Veganer kann in der Türkei aber schon allein mit Vorspeisen satt werden, z. B.:
- Barbunya (Wachtelbohnen)
- Şakşuka (frittiertes Gemüse in Tomatensoße)
- Domates Ezmesi (Tomatendip)
- Patlıçan Salatası (Auberginensalat)
- Sarma (gefüllte Weinblätter)“
Vorsicht!
Reis wird so gut wie immer mit Butter gekocht! Deswegen besser nachfragen, oder bei der Bestellung den Hinweis geben ggf. kann für euch welcher ohne Butter zubereitet werden. Alternativ kann man nach Bulgur fragen, hier unbedingt den Hinweis geben, dass dieser nicht in Fleischbrühe gekocht wird.
Die gängigen Brote sind normalerweise nur aus Mehl, Hefe, Salz und Wasser. Man findet auch sehr viele Çiğ Köfte Imbisse, die in der Regel vegan sind. Heutzutage gibt es nur noch sehr selten originale Çiğ Köfte mit Tatar. Ähnlich wie Çiğ Köfte sind Mercimekli Köfte (rote Linsen-Röllchen), diese sind ebenso vegan und extrem lecker. Gerne mag ich auch Fava, ein Püree aus Ackerbohnen und natürlich Humus.
Billiges Baklava ist ebenso vegan. Hier wird anstatt Butter Öl verwendet und im Teig auch auf Eier verzichtet. Bei der „Nur Pastaneleri“ (Konditoreikette) gibt es das zum Beispiel.
Tipp für unterwegs:
Hier bieten sich Gözleme an, das gibt’s an jeder Ecke. Diese Fladen sind mit verschiedenen Füllungen. Vegan wäre hier die Kartoffelfüllung oder Spinat (ohne Käse). Oft wird allerdings der Stein mit Butter eingefettet, hier musst du nachfragen, ob es möglich wäre, Öl zu verwenden. Die von mir genannten Gerichte sind übrigens auch in unserem türkischen Kochbuch „Zwischen Orient & Okzident“ zu finden und auch teilweise im Blog.”
Wie leicht oder schwer findest du es, in der Türkei vegan zu leben? Wo kann man gut vegane Produkte kaufen?
Petra: „Ganz leicht finde ich es nicht, außer in Istanbul. Es gibt zwar immer mehr vegane Angebote, aber es ist sehr teuer. Sojamilch zum Beispiel kostet fast 10 mal so viel wie Kuhmilch. Allerdings wenn man es in Euro umrechnet, ist es nicht mehr tragisch. Also für Touristen ist es dann doch relativ günstig. Vegane Produkte gibt es aber nur in größeren Supermärkten.
Wir haben in Antalya das Makrocenter, welches am besten sortiert ist. Hier findest du auch veganen Käse der Firma Trakya und veganen Kebap, Köfte, Tofu etc. oder bei Migros, aber erst ab 3M-Migros. Im 5M-Migros findest du eine ähnliche Auswahl wie im Makrocenter, vieles ist mittlerweile vegan deklariert.
Im Internet kann man sich alles mögliche bestellen, es gibt auch geniale vegane Sucuk von der Firma Eatvappy. Sojacuisine und Joghurt sind oft leider nicht lieferbar. Ein großes Problem ist ebenso vegane Margarine. Ich kenne nur eine, die gibt es im 2,5 Kilo Block bei Metro und heißt Dorina.
Ebenso bei Metro gibt es eine pflanzliche Schlagsahne (Krem Şanti) im 1 L Tetrapack. Leider wechseln hier ständig die Marken und oftmals ist ein kleiner Anteil (2%) Milcheiweiß enthalten, manchmal aber auch noch Molke. Deshalb ist es gut, wenn du vieles selber machen kannst. Ich mixe Mandelcuisine, Mandelmilch, Margarine und vegane Schlagsahne selbst. Die Firma Trakya ist dran, aber es zieht sich alles ewig.
Ich durfte einige Produkte auf dem veganen Festival probieren, das jedes Jahr 4 Tage lang in Didim stattfindet. Die haben auch einen genialen veganen Ayran (Joghurtgetränk) entwickelt, aber die Zulassungen sind wohl nicht so einfach.“
Was gefällt dir am besten am Leben in der Türkei / in Antalya?
Petra: „Wie oben erwähnt, gibt es rund um Antalya fast alles. Ich liebe das Meer, die Sonne, die Berge, die Palmen, die Zitrusbäume. Antalya bietet Sandstände, Kiesstrände und Klippenstrände. Wer es bergiger, grüner und ruhiger liebt, fährt Richtung Lykien und wer auf 5 Sterne Luxushotels mit Megarutschen etc. steht, fährt Richtung Side. Es ist für jeden etwas dabei.“
Welche weiteren Tipps, außerhalb Antalyas, hast du für vegan Reisende?
Petra: „Wir reisen generell immer individuell, egal wo wir hinfliegen. Für uns ist es wichtig, so viel wie möglich von einem Land zu sehen und die Kultur kennen zu lernen. Die Türkei hat so viel zu bieten und Autofahren ist hier nicht schwer. Man muss ja nicht gerade in die Stadtmitte von Großstädten fahren. Ansonsten sind die Straßen breit und meistens doppelspurig. Deshalb sollte man sich schon mal was trauen, ein Auto mieten und einfach mal losfahren. Unterkünfte findest du überall.
Letztes Jahr haben wir uns einen Camper gemietet und sind an die Schwarzmeerküste gefahren. Dieses Gebiet sollte man sich auch nicht entgehen lassen. Die Teefelder bei Rize, die Almen im Hinterland – wie im Allgäu! Freilaufende Kuhherden mit Kuhglocken, Wasserfälle, rauschende Bäche, Almhütten, Blumenwiesen, Tannenwälder, steile Berggipfel und Meer… ich war absolut geplättet.“
Tipp für Individualreisende:
„Mit einem Zelt oder Camper kann man auch fast überall stehen, wir fahren fast nie auf Campingplätze. Ab und zu kam mal die Jandarma oder Polizei vorbei, fragte was wir machen oder ob wir etwas brauchen und dann waren sie wieder weg. Außerdem hat die Türkei ein sehr gutes Busnetz – man kommt günstig auch mit dem Bus regelmäßig am Tag überall hin.
Wir haben übrigens auch eine Travelseite, aber nicht auf vegan spezialisiert, auf Facebook und Instagram und nennen uns Ways2sun. Eine Webseite kommt noch. Dort kann man sich Inspirationen für Ausflugs- und Reiseziele in der Türkei holen.
Nächsten Sommer wollen wir die Ost-Türkei mit dem Dachzelt erkunden, da sieht es schon wieder komplett anders aus. Ich kenne kein so vielfältiges, wunderschönes Land wie dieses. Es gibt soviel Schönheit hier, die ich nicht in Worte fassen kann.“
Veranstaltungs-Tipp:
„In der Stadt Didim bei Izmir findet seit drei Jahren jährlich im April das VegFest statt – ein viertägiges veganes Festival. Es ist sehr interessant zu sehen was jedes Jahr neu dazu kommt und wie es wächst. Ich verkaufe auf dem VegFest übrigens Crepes mit selbstgemachten Füllungen und Eis. Das VegFest findet Ende April statt und ist auf jeden Fall einen Besuch Wert.“
Die Türken sind ja ein unglaublich gastfreundliches Volk. Hast du einen Tipp, wie man Einladungen als vegan Reisender begegnet, wenn man bestimmte Speisen ablehnt?
Petra: „Ja das stimmt, es gibt glaube ich kein gastfreundlicheres Land. Ausländerfeindlichkeit uns gegenüber kenne ich überhaupt nicht. Es wird geholfen, wo es geht, oftmals wird für Gäste so aufgekocht, dass es für manche Gastgeber den eigenen Geldbeutel sprengt.
Wenn du zum Essen eingeladen wirst, solltest du das deshalb vorher abklären – die Butter im Reis nicht vergessen! Als Option vielleicht Bulgur vorschlagen, ohne Fleischbrühe! Wie oben geschrieben gibt es sehr viele Gerichte, die traditionell schon vegan sind. Du solltest allerdings dann auch keine Nase rümpfen, wenn die Gastgeber Joghurt, Käse oder im Zweifelsfall Fleisch dazu essen. Einfach gegenseitig Respekt zeigen.
Mein Nachbar hat mir mal eine Kanne frische Milch vom Bauern gebracht, die konnte ich auch nicht annehmen. Meine Männer mögen keine frische Milch und ich habe eine Allergie, so habe ich das erklärt. Zum Wegschütten ist es ja auch zu schade. Mein Nachbar redet trotzdem noch mit mir und war auch nicht sauer.“
Was möchtest du unseren Lesern gerne noch mit auf den Weg geben?
Petra: „Generell möchte ich noch loswerden, dass es hier absolut sicher ist und ich mir noch nie eingesperrt vorkomme. Im Gegenteil, ich fühlte mich noch nie so frei. Glaubt einfach nicht, was in den Medien berichtet wird, sondern kommt her und macht euch euer eigenes Bild. Redet mit unterschiedlichen Menschen an verschiedenen Orten und schon bald werdet ihr abwägen können, was der Wahrheit entspricht und was nicht.“
Mein Lieblingsmotto: Reisen ist der schönste Weg Geld auszugeben und trotzdem reicher zu werden.
Buchtipps für eine Reise nach Antalya
Titelbild: Foto von Erik Karits auf Unsplash
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